P 101: Zurück zu Plotin, Kant und Zeh

 17.3 Die Quantenwelt erschafft die Alltagswelt

Quanten besitzen keine ihnen innewohnenden feststehenden Eigenschaften. Nur Möglichkeiten für Eigenschaften sind angelegt.

Erst durch Wechselwirkungen untereinander entstehen dabei stabile, messbare und wahrnehmbare feste Zustände. Diese Zustände bezeichnen wir als klassische Welt.

Die Welt der Quanten würden wir als Realitätsebene I bezeichnen, die der klassischen Fakten als Realitätsebene II.

Den Übergang zwischen der Realitätsebene I und II beschreibt das Dekohärenzmodell von Dieter Zeh.

Dekohärenz kann man auffassen als Verschränkung eines quantenmechanischen Systems mit seiner Umgebung oder auch als Messung durch die Umgebung.

Dekohärenz bedeutet auch den Verlust von Interferenzfähigkeit, es gibt keine Überlagerungen mehr.

Unsere klassische Welt der Realitätsebene II wird so durch Wechselwirkungen aufgebaut, konstruiert.

Da jede dieser Wechselwirkungen aber weiterhin zufällige Ausgänge hat, bleibt der Zufall eine der Quantenwelt innewohnende für uns nicht erklärbare Eigenschaft.

Je isolierter ein System ist, desto länger kann man es im kohärenten Zustand halten.

Deswegen kann man Experimente mit Elektroneninterferenzen im Hochvakuum machen, noch nicht mit Staubteilchen und nie mit Bowlingkugeln. Interferenzexperimente mit Elektronen an Luft funktionieren deshalb auch nicht.

Umgebung     Elektron    Staubteilchen     Bowlingkugel

 Luft, 300 K      10-12 sec       10-18    sec               10-26 sec

 Hochvakuum     10 sec        0,1 msec                10-18 sec

Erst seit kurzer Zeit setzt sich dieses Modell immer mehr durch.

Es empfiehlt sich dazu den Nachruf auf Dieter Zeh in den Zusatzseiten zu lesen:

Nachruf Dieter Zeh

Ein Satz daraus zeigt die Tragweite von Zehs Interpretation an:

Gegen die Vorstellungen, die Dieter Zeh uns zumutet, sind die Paradigmenwechsel der Kopernikanischen Wende freilich Pipifax. Nach Zeh gibt es weder Sonne, noch Erde noch Planeten. Unsere klassische, makroskopische Welt entpuppt sich als Täuschung

Die alles prägende Kopenhagener Deutung hat immer die Quanten und ihre Beobachter getrennt. Jetzt verschmelzen beide Aspekte zu einem Modell.

In der Realitätsebene II erscheinen Objekte im Raum als lokalisiert (einen Ort besitzend). Dieser Ort ist eine neu entstandene, emergente, Eigenschaft.

Die neue Philosophie der Quantenmechanik hat folgende Kernaspekte:

Die Welt besteht aus Beziehungen nicht aus Dingen.

Beziehungen erzeugen Eigenschaften, die wir wahrnehmen können.

Erkenntnisse über Dinge können wir nur über ihre Beziehungen erhalten, das „Ding an sich“ (Kant) bleibt uns verborgen.

Insofern ist die QM vollständig, sie beschreibt genau das, was wir erkennen können.

Die Experimente zur Bellschen Ungleichung zeigen, dass die Quantenmechanik auch alles beschreibt, was es an Beziehungen gibt.

Es gibt keine Natur der Dinge jenseits ihrer Beziehungen zueinander.

Die Entstehung der Dekohärenz ist kein neuer Prozess, sondern wird vollständig durch die bekannten quantenmechanischen Regeln und Wechselwirkungen beschrieben. Damit kann die Quantenmechanik erklären, wie es zur klassischen Welt kommt. Sprachliche Konstrukte, wie Dualismus oder Komplementarität (Ort und Impuls sind zueinander komplementäre Größen), müssen nicht länger unser Unvermögen, die Quantenwelt zu verstehen, kaschieren.

Alle Messergebnisse, Quantensprünge und Lokalisierungen sind das Ergebnis von sehr schnellen aber stetig ablaufenden Dekohärenzvorgängen. Der Zusammenbruch  der Wellenfunktion bei einem Messvorgang, wie er noch in der Kopenhagener Deutung ein großes Problem war,  als eigenständiges, aber nicht erklärtes, Prinzip der Quantenmechanik ist nicht mehr nötig. Der Messprozess scheint durch die Dekohärenz erklärbar und beschreibbar zu sein. Natürlich ist, da die Dekohärenz ja eine quantenmechanische Eigenschaft ist, das Ergebnis des Messprozesses nicht vorhersagbar. Das fordert die Quantenwelt auch nicht, nur unsere klassisch geprägte Vorstellung würde sich das wünschen.

In der Aussage des griechischen Philosophen Plotin (205 – 270) steht eigentlich alles drin:

 Die Natur hat ein Schauen in sich, und das was sie erschafft, erschafft sie wegen des Schauens.


 

 

 

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