P 87: Welchen Weg nehmen Quanten?

 15. Wellenpakete und Unbestimmtheiten

15.1 Frag nie nach dem Weg!

Wenn man viele Quanten durch einen Doppelspalt schickt, dann könnte man auf die Idee kommen, dass das Interferenzbild ein kollektives Phänomen ist, also irgendwie durch eine Wechselwirkung der Quanten beim gleichzeitigen Durchgang durch die beiden Öffnungen zustande kommt.

Wir wissen aber, dass die beobachteten Interferenzphänomene "Einzelobjekt-Phänomene" sind.Wir müssen  schon einem einzelnen Quant eine Welle zuordnen, die durch  beide Öffnungen durchgeht und damit die Wahrscheinlichkeiten festlegt, wo das Quant dann auf dem Schirm faktisch werden könnte.

Wo es da letztlich auftaucht, ist dann rein zufällig.

Wir variieren den Doppelspalt-Versuch:

Vollkommen zufällig wird einer der beiden Öffnungen vor dem Aussenden  eines Photons (geht auch noch danach) verschlossen. Es ist also immer nur ein Spalt offen.

Was erwartet ihr (Interferenz am Einzelspalt bitte vernachälssigen)?

 Es gibt keine Doppelspalt-Interferenz, nur zwei Lichtflecken.


 Quantenradierer:

Die beiden  Öffnungen werden mit zwei zueinander senkrecht orientierten Polarisationsfiltern beklebt. Dann können wir an der Polarisation des Lichtes erfahren, durch welche Öffnung es gegangen ist.

Nun, dann  gibt es kein Interferenzbild. Ist eigentlich logisch, denn zueinander senkrecht polarisierte Wellen können sich nicht überlagern.

Wenn man aber nach (!!!) dem Durchgang durch den beklebten Doppelspalt ein drittes Polarisationsfilter anbringt, das genau um 45° gedreht ist, dann löscht man die Polarisation durch die Spaltöffnungen aus, jetzt kann man nichts mehr über den Weg sagen und das Interferenzmuster taucht auf.


Sobald man also versucht, den Weg eines Quants irgendwie zu messen, verschwindet die Interferenzfähigkeit  (das nennt man Dekohärenz) und es gibt kein Interferenzbild mehr.

Weg der Fullerene

Arndt et al haben 2006 sehr eindringlich gezeigt, dass man diese Aussage sogar so machen kann:

Je präziser ich eine Information über einen möglichen Weg erhalte, desto schwächer wird das Interferenzbild.

Sie haben den sog. Kontrast eingeführt, d.h. den Unterschied zwischen Interferenzmaxima und Interferenzminima. Wenn es kaum Interferenz gibt, ist der Kontrast des Musters klein (die Minima sind nicht richtig dunkel und die Maxima nicht besonders hell), bei idealen Bedingungen sind die Minima ohne Intensität und der Kontrast ist maximal.

Die Experimente wurden mit Fullerenen gemacht, C60- und später auch C 70 Moleküle.

Wer das nachmachen will: 100 g davon kosten unter 40.-€!

Merck

 Die benutzte  Fullerenquelle produzierte die Moleküle bei  einer Temperatur von 900 K. Ein Geschwindigkeitsfilter sorgte dafür, dass letztlich nur eine einzige Wellenlänge vorkam. Es waren 2,5 pm, das ist 1/400 des Moleküldurchmessers.

Erst einmal erstaunlich, dass es trotzdem Interferenzerscheinungen gibt.

(Vielleicht solltet ihr doch mal durch zwei benachbarte Türen einen Raum verlassen....)

Alle Versuche müssen natürlich in einem Hochvakuum stattfinden.

 

In einem ersten Versuch erhöhten Arndt und Mitarbeiter  den Gasdruck im Vakuum langsam. Je höher der Gasdruck war, desto öfters stießen die riesigen Moleküle mit Gasatomen zusammen.

Das hätte man zur Positionsmessung nutzen können. Das Interferenzbild wurde immer kontrastärmer, je höher der Gasdruck war, je präziser man also die Bahn durch die Gasatome hätte verfolgen können.

(Den Konjunktiv benutze ich absichtlich, denn es kommt nicht darauf an, dass man die Information erhält, sondern nur darauf, dass sie prinzipiell zur Verfügung stehen könnte.)

Im zweiten Versuch erhitzte man die Moleküle mit einem Laser. Sie senden dann Infrarotstrahlung aus. Auch damit könnte man sie lokalisieren  und ihren Weg verfolgen.

Je heißer die Fullerenmoleküle  waren, desto kürzer war die Wellenlänge der IR-Strahlung , bei der sie gestrahlt haben (vergl. Wiensches Verschiebungsgesetz).

Je kürzer die Wellenlänge ist, desto präziser kann man die Positionen messen und desto kontrastärmer wird das Interferenzbild.

 

Arndt et al, Wann wird ein Quantenobjekt klassisch? Physik in unserer Zeit Jan. 2006

(Übrigens: Wir haben ja in Q2/3 gelernt, dass man mit Radiostrahlung nur ein geringes Auflösungsvermögen hat, mit sichtbarem Licht wesentlich präszisere Bilder erhält. Das kommt letztlich hier auch zum Tragen).

Es gibt noch weitere Beispiele:

Heisenberg-Mikroskop (Gedankenexperiment): Quanten werden  unter einem Mikroskop beobachtet. Dazu müssen sie beleuchtet werden, je kürzer die Wellenlänge der Lampe, desto mehr verschwinden die Interferenzen

Spalt (dazu gibt es gleich ein Extrakapitel, denn das ist beliebtes Abithema....):Je enger der Spalt ist, desto weiter auseinander liegen die Beugungsmaxima. Bei ganz engem Spalt (das heißt sehr genaue Ortsbestimmung) erfüllt lediglich das 0. Maximum den Raum. es gibt keine Interferenz mehr.

Das war sogar eine Klausuraufgabe unserer ersten Klausur (s.dort).

Fazit:

Frage nie nach dem Weg...denn sonst zerstörst Du die Quanteneigenschaften!

(auch wenn Du keine Antwort erhälst oder sie nicht ansiehst...., das Fragen allein reicht!)

Ausblick:

Heisenberg hat erkannt, dass die Ursache nicht das Experiment, nicht die Wechselwirkung mit  was auch immer ist, sondern dass das eine der grundlegenden Ur-Eigenschaften von Quanten ist:

Quanten haben  keinen Weg. Schafft man eine Möglichkeit, einen Weg zu bestimmen,  sind sie keine Quanten mehr.

Wege sind nur Eigenschaften in unserer makroskopischen Nicht-Quanten-Welt! 

Die Eigenschaft "Weg" existiert nicht in der Quantenwelt!

(Übrigens: Wir haben früher bei unseren Experimenten in Vakuumröhren nie den Elektronenstrahl selbst gesehen, nur das leuchtende Restgas im Vakuum).

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