P 138: Atome sind vergesslich

 22.7.4 Die Entstehung der Absorptionslinien

Eigentlich ist ja alles klar:

Atome können Licht bestimmter Wellenlängen absorbieren (da die zugehörigen Photonen Quantensprünge auf höhere Energieniveaus anregen). Dann fehlt dieses Licht im Spektrum und dort sehen wir eine Absorptionslinie.

Auf den Zusatzseiten steht etwas mehr über Spektrallinien, die kennen wir ja schon von früheren Posts über Spektren:

Infos zu Spektrallinien 

Also, weil Atome absorbieren, entstehen Absorptionslinien.

Das hat einen Haken!

 Seht ihr ihn?

Nicht den...

 

 

 

 

 

 

Atome haben das Bestreben, immer den tiefst möglichen Energiezustand anzunehmen. In der Regel (Ausnahme metastabile Niveaus) geben die Elektronen nahezu sofort wieder ihre Energie in Form eines Photons ab. Diesen Prozess haben wir schon als Ursache für die scheinbar geringere Lichtgeschwindigkeit in Glas besprochen.

Es dürfte also keine Absorptionslinien geben...

Die beiden Bilder erklären die beiden Möglichkeiten, wie das Elektron wieder in den ursprünglichen Zustand gehen kann:

 Erkläre am rechten Bild die sog. Stokesche Regel: Die Frequenz des angeregenden Photons ist höher als die der emittierten Photonen. Das rechte Bild beschreibt die sog. Fluoreszenz. Man regt einen Stoff mit UV-Licht an und er strahlt dann grün und rot...Bei der  Phosphorezenz spielen metastabile Niveaus eine Rolle, deshalb dauert das Leuchten länger.

Fluoreszierende Lösungen, Leifiphysik

Nun zurück zu unserem Problem:

Im Sonnenspektrum finden wir  aber Absorptionslinien:

Macht euch klar, warum sie nach der einfachen Vorstellung, die wir eben durchgespielt haben, gar nicht existieren dürften...und dann überlegt euch, warum sie doch existieren...

Nehmen wir die Photosphäre der Sonne. Das Licht aller Wellenlängen kommt von unten und geht durch die Photosphäre durch. Dort absorbieren die Atome einzelne Wellenlängen. Sofort senden sie das Licht wieder aus, entweder durch Zwischensprünge in Portionen also bei längeren Wellenlängen, oder wieder genau bei dieser Wellenlänge.

Aber:

Angeregte Atome haben vergessen, aus welcher Richtung die Anregung kam.

Das Photon wird deshalb  in irgendeine Richtung neu ausgesandt.

In die eigentliche  Blickrichtung geben die Atome dann natürlich weniger Photonen weiter.

Und deshalb sehen wir eine Absorptionslinie.

Dieses Bild aus der Projektarbeit (E-Phase) von Thomas Schnee und Johannes Schropp (2012) drückt das bestens aus:

 
Die Linien sind nicht ganz schwarz, es gibt eine Restintensität.


Wo kommt die her?

Das kommt von den  Atomen, die das neue Photon zufälligerweise wieder in unsere Richtung abgeben.

In diesem Restlicht einer Absorptionslinie kann man dann sogar die Sonne fotografieren und erhält Informationen über ganz bestimmte Tiefen.

Je geringer das Restlicht (je mehr man also im Linienzentrum fotografiert), desto höher ist die Schicht, aus der das Licht noch rauskommt.

Im ersten Bild sehen wir die Sonne im Restlicht von H α, im zweiten Bild im Restlicht einer starken Linie des Calziums, die viel schwärzer ist. Hier sehen wir höhere Schichten vom oberen Rand der Chromosphäre.

 

VdS

Hier sehen wir in einem registrierten Spektrum neben der konvergierenden Folge der Balmerlinien die Linie des Ca, mit deren Restlicht das folgende Sonnenbild aufgenommen wurde:


Bresser

Diese unscheinbare Absorptionslinie des Calziums in einem Sternspektrum (Delta Ori, rechter Gürtelstern des Orions), aufgenommen am 2.4.1902 durch Hartmann am neuen großen Refraktor der Sternwarte Potsdam, führte zur Entdeckung der Interstellaren Materie. Alle Absorptionslinien des Sternes änderten ihre Wellenlängen s durch die Bewegung des Sternes in einem Doppelsternsystem (durch den Doppler-Effekt), nur diese Linie nicht. Sie konnte also nicht vom Stern stammen, musste im interstellaren Raum durch ein dünnes Gas entstehen: die interstellare Materie.






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