P 70: Das schönste Experiment aller Zeiten
11.3 Elektronenbeugung am Doppelspalt
11.3.1 Die Vorgeschichte
Historisch gesehen wurde die Welleneigenschaft von Elektronen durch Beugung von Elektronenwellen an Kristallen 1926 nachgewiesen. So ganz wollte man am Anfang aber nicht ausschließen, dass hier andere Effekte einer Wechselwirkung mit Kristallen die Ursache für die Beugungsbilder sind.
Damit beschäftigen wir uns im nächsten Kapitel.
Was die Forschenden noch brauchten, das war ein "reiner" Versuch, so wie bei Licht:
Man mache zwei Öffnungen in eine Pappe, lenke einen Lichtstrahl drauf und sieht ein Interferenzmuster.
So etwas fehlte für Elektronen!
Selbst Richard Feynman hielt einen solchen Versuch für unmöglich!
Der damals junge Physiker Claus Jönnson lies sich aber von den vorgefertigten Meinungen nicht einschüchtern. In seiner Doktorarbeit entwickelte er 1957 einen solchen Versuch:
Ein Elektronenstrahl wird durch einen Doppelspalt geschickt und das Beugungsbild wird, vergrößert, angesehen.
Elementarer kann und konnte man Elektronenbeugung nicht erleben.
Deshalb wählten 2002 namhafte Physiker/innen dieses Experiment zum "Schönsten Experiment aller Zeiten"
C.Jönsson, 2008 |
Platz 1: Jönsson Elektronenbeugung am Doppelspalt
Platz 2: Galilei: Freier Fall (1620)
Platz 3: Millican: Elementarladungsbestimmung (1909)
Platz 4: Newton Spektralzerlegung des Lichtes (1665)
Platz 5: Young: Lichtinterferenz am Doppelspalt (1802)
Platz 6: Cavendish: Gravitationswaage, Bestimmung der Gravitationskonstante (1798)
Da wir Platz 2 bis Platz 6 alle schon kennengelernt haben, kommen wir nun zum Sieger! Auch, weil Abituraufgabenmacher dieses Experiment schon mehrfach entdeckt haben...bundesweit...
2005 war der Vorgänger des SFN, der PhysikClub, gerade 3 Jahre alt. Zur zweiten Präsentation der Projekte hatte ich Prof. Jönsson eingeladen. Wie unsere Jugendlichen damals und heute hat er auch einfach das scheinbar Unmögliche probiert und hat sich von vorherrschenden Meinungen nicht abschrecken lassen.
Er plauderte aus seinem Leben und lies uns im längsten Vortrag aller Zeiten über das schönste Experiment aller Zeiten jede Station seines langen Lebens nacherleben.
Am 26.5.2020 ist er 90 Jahre alt geworden.
11.3.2 Relativistische Berechnung der Wellenlänge der Elektronen
Jönsson hat die Elektronen mit einer Spannung von 50 kV beschleunigt, d.h. sie hatten eine kinetische Energie von 50 keV.
Leider kann man bei dieser hohen Energie nicht mehr die normale klassische Rechnung verwenden.
Nach der würde man die kinetische Energie 1/2*m*v² = 50 keV setzen und nach v auflösen.
Aufgabe 1: macht das mal...
Bei der klassischen Rechnung erhält man: v = 133 000 km/sec, also fast die halbe Lichtgeschwindigkeit.
Spätestens hier merkt man, dass man die relativistische Rechnung durchführen muss.
Wir haben in Q1 gelernt, wie man eine Geschwindigkeit relativistisch rechnet.
Diesen Weg und einen anderen stelle ich euch (zur Erinnerung) auf einer der Zusatzseiten vor.
Herleitung rel.Geschwindigkeit
Folgende Formel erhielten wir damals in Q1:
v = c * (1 - Eo²/Eges²)^0,5
Dabei ist Eo die Ruheenergie des Teilchens (Eo = mo*c², mit mo als Ruhemasse),
Eges = Eo + Ekin ist die Gesamtenergie.
Die Rechnung gestaltet sich besonders einfach, wenn man mit eV arbeitet:
Aufgabe 2: Berechnung der Geschwindigkeit
Aus der Ruhemasse eines Elektrons (9,1*10^(-31) kg) erhält man für ein Elektron Eo = 511 keV
(Das sollte man ausrechnen können!).
Wenn die Elektronen in Jönssons Versuch eine kinetische Energie von 50 keV haben, dann ist ihre Gesamtenergie 561 keV.
Damit erhält man:
v = 0,41 *c
Nun kann man den Impuls der Elektronen bestimmen: p = m*v
Aufgabe 3: Berechnung des Impulses
Achtung: m = mo/(1-v²/c²)^0,5 ist die (vergrößerte) bewegte Masse des Elektrons (etwa 1,1*mo!).
Tipp: Bitte die Formeln mit den üblichen Symbolen in euer Heft übertragen!
Also nicht den bekannten Wert für die Ruhemasse einsetzen!
Man erhält für p den Wert:
p = 1,23*10^(-22) Hy (1 Hy = 1 kg*m/sec)
Aufgabe 4: Berechnung der Wellenlänge
Nun erhält man mit de Broglies Formel die Wellenlänge:
λ = h/p = h/(m*v) = 0,005 nm!
11.3.3 Problem und Lösung
Feynman dachte richtig, dass es einen so kleinen Doppelspalt für eine so kleine Wellenlänge nicht geben kann. Die Größe eines Wasserstoffatoms liegt bei 0,03 nm! Das ist sechsmal größer, als die Wellenlängen der Elektronen!
Jönsson aber hatte eine geniale Idee:
Man kann die Spaltöffnungen größer machen. Man muss nur dafür sorgen, dass die Wellen im Spalt kohärent bleiben. Dann gibt es zwar winzige Interferenzmuster, aber die muss man nur vergrößern!
Genau das ist im gelungen!
Er arbeitete mit Spaltbreiten von 1/1000 mm (die er elektrochemisch erzeugte) und entwickelte ein Linsensystem aus elektrischen Feldern für die Elektronenwellen.
Zwei weitere Probleme mussten gelöst werden:
1) Elektronen sind negativ geladen. Sie stoßen sich ab. Das stört das Interferenzbild.
Deswegen hat Jönsson so schnelle Elektronen genommen, da wirkt sich das nicht so aus.
2) Elektronen bleiben in dünnster Materie stecken. Seine Spaltöffnungen mussten perfekt von Materie befreit sein (also nicht irgendwo was reinritzen...).
11.3.4 Auswertung des Doppelspaltversuchs mit Elektronen
Hier der prinzipielle Versuchsaufbau:
aus leifiphysik |
Hier das Interferenzbild (etwa 20000-fach vergrößert):
Jönssons Doppelspalt hatte die folgenden Daten:
Spaltabstand d = 2 μm
Spaltdurchmesser: 0,5 μm (ist hier unwichtig)
Beschleunigungsspannung der Elektronen: 50 kV
Schirmabstand e = 350 mm
Abstand des ersten Maximums vom 0.Maximum: a1 = 0,95 μm
Aufgabe:
Bestätige, dass diese Messergebnisse durch einen Doppelspaltversuch mit Elektronenwellen erklärt werden können!
Hinweis: Ihr könnt die Kleinwinkelnäherung nehmen...
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